Offener Brief an den Vorstand des SV Babelsberg 03
Liebe Mitglieder des Vorstands unseres Vereins,
mit Unverständnis haben wir eure Entscheidung wahrgenommen, keine Mitgliederversammlung im Jahr 2020 abzuhalten. Noch im Frühjahr hatten wir das Gefühl, dass die Corona-Krise auch eine Chance sein könnte, um Mitglieder, Fans und Ehrenamtliche näher mit dem Verein zusammenzubringen. Nicht zuletzt durch das große Engagement der Mitglieder des SV Babelsberg 03 konnte die wirtschaftlich schwere Situation bewältigt werden und in kurzer Zeit eine beachtliche Spendensumme für den Sportverein zusammen kommen. Der starke Absatz von Dauerkarten in den Sommermonaten zeigte trotz der zu erwartenden Ungewissheit über die Austragung einer kompletten Saison die starke Verbundenheit aller Nulldreier*innen mit ihrem Verein.
Dass diese Loyalität nun mit Füßen getreten wird, indem der Vorstand das oberste Organ des Vereins – die Mitgliederversammlung – nicht einberuft, erschüttert uns. Doch diese Entscheidung ist nicht nur moralisch verwerflich sondern auch ein klarer Bruch der Vereinssatzung:
Einmal jährlich – jeweils im II. Quartal, also im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni des Kalenderjahres – findet eine ordentliche Mitgliederversammlung statt. (§8 Abs. 2)
Natürlich sind auch uns die Problemlagen rund um die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Beschränkungen bekannt. Es ist weiterhin mühselig zu erwähnen, dass in den Sommermonaten und bis Mitte Oktober eine Mitgliederversammlung unter gebotenen Hygienemaßnahmen hätte stattfinden können. Aber dieses Kind ist schon lange in den Brunnen gefallen. Die einzige Möglichkeit die Satzung einzuhalten und die Mitbestimmungsrechte der Mitglieder zu wahren, bleibt jetzt also eine digitale Variante der MV.
Hierzu hat der Bundestag im Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht bereits im März 2020 festgehalten, dass Mitgliederversammlungen auch digital abgehalten werden können und Abstimmungen im Umlaufverfahren (also schriftlich bspw. via Briefwahl) getätigt werden können. (vgl. Art. 2 §5 ) Eine Rechtssicherheit für diese Art der Mitgliederversammlung ist also durchaus gegeben, auch wenn unsere Satzung dies normalerweise nicht vorsieht.
Ein Blick über den Tellerrand bestätigt diese Einschätzung. Der FC St. Pauli wird seine Mitgliederversammlung am 17.12. online abhalten, der 1. FC Nürnberg hat dies bereits im Oktober mit 4000 Teilnehmenden getan und dabei über Entlastungen wie Personal abgestimmt. Natürlich sind Online Veranstaltungen anstrengender und erfordern eine gewisse Investition in technisches Know-How sowie Hardware. Anscheinend fehlt es dem SV Babelsberg 03 hier aber am nötigen Willen. Der Vorstand scheint die Mitgliederversammlung als nettes Beiwerk anzusehen, die eben nicht so wichtig ist und stattfinden kann, wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist. Einen konkreten Nachholtermin gibt es bis heute nicht.
Das alles passiert wohlgemerkt am Ende eines Jahres, das für den SV Babelsberg 03 sportlich sehr turbulent verlief und auch von Uneinigkeit und Streit unter Fans und Mitgliedern sowie zwischen Fans und Vorstand geprägt war. Es gibt Gesprächsbedarf.
Für uns ist die Mitgliederversammlung der existenzielle Bestandteil unserer Mitgliedschaft. Nur hier kann jedes Mitglied seine demokratischen Mitbestimmungsrechte aktiv nutzen. Ohne eine Mitgliederversammlung kann kein Verein gestaltet werden. Hierfür ist eine Informationsveranstaltung, bei der die Mitglieder nur abnicken sollen, was der Vorstand ihnen vorsetzt, in keinster Weise ein Ersatz. Ohne eine Mitgliederversammlung ist der SV Babelsberg nur ein Unternehmen und der Mitgliedsausweis nur ein wertloses Stück Plastik. Wer diese Bedeutung einer Mitgliederversammlung nicht erkennt, sollte sich fragen, ob er an der Spitze eines Vereins richtig aufgehoben ist.
Fanbeirat Babelsberg, 3.12.2020